Die Psychiatrie wird zur Fabrik – und wir sind die kaputten Rädchen!

von Marcus Woggesin – 11. Mai 2025

**Die Psychiatrie wird zur Fabrik – und wir sind die kaputten Rädchen**  

Es ist ein Skandal, der sich hinter sterilen Klinikmauern und dem Blendwerk der Wissenschaft versteckt: Die Psychiatrie verkauft ihre Seele. Statt menschlicher Wärme gibt es Algorithmen, statt Gespräche Pillen, statt Empathie Diagnosen, die wie Preisschilder an unseren Seelen kleben. Wo bleibt das *Verstehen*, das Zuhören, das stille Aushalten von Brüchen, die sich nicht in Blutwerten messen lassen? Die Antwort ist so zynisch wie einfach: Es lohnt sich nicht. Nicht finanziell, nicht statistisch, nicht im Zeitalter der Effizienz.  

Früher, ja, da war die Psychiatrie ein Ort des Schreckens – aber auch der Rebellion. Man stritt über die Abgründe des Menschseins, über Schuld, Traumata, die Dämonen, die keine Chemie bändigen kann. Heute wird der Wahnsinn in ICD-10-Codes gepresst, und wer nicht ins Raster passt, kriegt eben ein neues Label. Depression? Hier, SSRI. Psychose? Neuroleptika. Und wenn es nicht wirkt, erhöhen wir die Dosis. Hauptsache, der Patient ist ruhig, funktioniert, zahlt Steuern. Was interessiert da noch die Frage, *warum* jemand in die Dunkelheit fällt? Die Ursachenforschung überlassen wir den Philosophen – die haben eh kein Budget.  

Aber wehe, du wagst es, diese Maschinerie zu kritisieren. Dann kommen die Verteidiger des Fortschritts: „Evidenzbasiert!“, rufen sie. „Wir retten Leben!“ Als ob ein gerettetes Leben dasselbe sei wie ein *gelebtes*. Ja, Medikamente können Stürme abfangen. Aber sie stopfen keine Löcher in die Seele, stillen keine Einsamkeit, heilen keine zerbrochenen Biografien. Wir reduzieren Menschen auf ihre Synapsen, tun so, als sei das Gehirn eine Maschine, die man repariert wie ein defektes Smartphone. Dabei schreit jede Statistik über Suizide, Rückfallquoten, chronifizierte Erkrankungen: *So einfach ist es nicht.*  

Und das System befeuert den Irrsinn. Kassen zahlen für 15-Minuten-Sprechstunden, nicht für stundenlanges Gespräch. Kliniken optimieren Liegezeiten, nicht Heilung. Forscher jagen nach „marktfähigen“ Lösungen – wer will schon in die trüben Gewässer der Psychoanalyse investieren, wenn man mit einer neuen Pille Milliarden verdient? Die Botschaft ist klar: Menschlichkeit ist ein Kostenfaktor.  

Doch hier ist die bittere Wahrheit: Wer Psychiatrie auf Medizin reduziert, macht sie zur Komplizin der Zerstörung. Wir brauchen Ärzte, die auch Heiler sind. Räume, in denen Wut, Verzweiflung, sogar Hoffnungslosigkeit *dasein* dürfen, ohne sofort wegtherapiert zu werden. Eine Psychiatrie, die sich traut, unbequem zu sein – die nicht nur Gehirne scannt, sondern auch in Augen sieht.  

Am Ende geht es um eine Frage: Wollen wir eine Welt, in der das Leiden nur noch ein technisches Problem ist? Oder eine, die zugibt, dass wir manchmal – verdammt nochmal – keine Antworten haben. Außer der einen: zusammenzustehen. Auch wenn es wehtut. Auch wenn es nicht profitabel ist.